Ein kurzer Diskurs über Inflation

Die alltäglichen Auswirkungen der Inflation verstehen

Inflation begegnet uns in wirtschaftlichen Diskussionen regelmäßig. Was sie bedeutet, ist für jeden an der Supermarktkasse spürbar: Ein 100-Euro-Schein ist offensichtlich nicht mehr so viel wert wie früher. Wenn Sie vor einigen Jahren mit diesem Betrag einen ganzen Einkaufswagen voller Lebensmittel kaufen konnten, haben Sie Glück, wenn er nun zur Hälfte gefüllt werden kann. Die Preisentwicklungen in der Wirtschaft zu verfolgen, ist jedoch eine schwierige Angelegenheit. Wirtschaftswissenschaftler beobachten die Inflation in der Regel mit Hilfe des Verbraucherpreisindexes (kurz: VPI), einer Art Einkaufsliste für Güter des täglichen Bedarfs (z. B. Lebensmittel, Arztrechnungen und Benzin), die ihnen eine Momentaufnahme der Preisentwicklung im Laufe der Zeit liefert. Oft versteht man Inflation synonym mit dem VPI. Obwohl er kein perfektes Instrument ist, hilft uns der VPI, die allgemeinen Trends in der Preisentwicklung zu verstehen.

Im März 2024 betrug die Inflationsrate (harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI)) im Euroraum 2,4 %, ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Höchststand von 11,6 % im Oktober 2022. Dieser massive Anstieg ist nicht nur auf die Folgen der Covid-Pandemie zurückzuführen, sondern auch auf die anhaltenden Spannungen zwischen der Ukraine und Russland und insbesondere auf die Reaktion Europas auf diese Krise. Der Rückgang wurde bedingt durch Maßnahmen der Notenbanken und Lockerungen der Covid-Beschränkungen.


Strategien gegen Inflation: Wie Zentralbanken und Regierungen eingreifen

In den Wirtschaftswissenschaften gibt es einige berufliche Laufbahnen, die allein damit beschäftigt sind, die Komplexität der Inflation zu entschlüsseln und Wege zu finden,  unsere Wirtschaft im Lot zu halten. Der Inflation liegt ein einfaches Konzept zugrunde: zu viel Nachfrage für zu wenig Güter. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, jeder in Ihrer Stadt möchte die gleichen limitierten Turnschuhe kaufen. Erhöhte Nachfrage für ein knappes Gut hat zur Folge, dass der Preis unweigerlich ansteigt. Ähnlich verhält es sich in der Wirtschaft: Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, steigen die Preise. Am Ende bedeutet dies, dass man für sein Geld weniger bekommt – es herrscht Inflation.

Um der Inflation entgegenzuwirken, haben Regierungen und Zentralbanken im Wesentlichen drei Möglichkeiten, die Preise von Waren und Dienstleistungen durch Beeinflussung der Nachfrage zu kontrollieren:

  • Die Zentralbanken können die Geldmenge verringern. Mit einer geringeren Menge an Euro wird jeder Euro wertvoller, was Menschen dazu bringt, weniger zu konsumieren.
  • Die Zentralbanken können die Kreditaufnahme erschweren. Im Allgemeinen kontrollieren die Zentralbanken den Zinssatz, zu dem sich die Teilnehmer am Finanzmarkt    Geld leihen können. Erhöht die Zentralbank den Zinssatz, müssen die Kreditnehmer mehr für die gleiche Menge an Kapital bezahlen, was die Kreditaufnahme weniger attraktiv macht und somit den Konsum verringert.
  • Die Regierungen können die Steuern erhöhen oder die Ausgaben senken. Wenn die Regierung die öffentlichen Ausgaben senkt und die Steuern erhöht, würde dies das verfügbare Einkommen und damit die Nachfrage verringern.

Die richtige Mischung ist entscheidend, um die Inflation in Schach zu halten, ohne das Wirtschaftswachstum zu bremsen, da bei zu hohen Zinsen ein gegenteiliger Effekt eintritt. Dabei kann die Nachfrage als essenzieller Treiber der Wirtschaft abgewürgt werden.

Mehr als Inflation: Zentralbankziele im Überblick

Die Zentralbanken haben einen weiten Blickwinkel und beobachten neben der Inflation eine Vielzahl von Wirtschaftsindikatoren. Weltweit achten Zentralbanken meist darauf, ein Inflationsziel von 2 % einzuhalten. Dabei achtet die Europäische Zentralbank (EZB) am meisten auf die Inflationsrate selbst, während die amerikanische Federal Reserve (FED) z.B. auch vermehrt Arbeitsmarktdaten mit einbezieht, da der Beschäftigungsgrad sehr stark mit der Höhe der Löhne, dem verfügbaren Einkommen und somit der Nachfrage zusammenhängt.

Wenn gewählte Messgrößen wie z.B. der VPI-Index bestätigen, dass die Inflation sich auf dem 2 % Ziel einpendelt, haben die Zentralbanken die Möglichkeit, ihre Zinssätze zu senken und ihre Geldpolitik zu lockern.

Die Wahl eines Inflationsziels von 2 % durch zahlreiche Zentralbanken in aller Welt ist nicht völlig willkürlich. Diese Zahl ist das Ergebnis umfangreicher theoretischer Analysen und praktischer Beobachtungen über Jahrzehnte hinweg. Obwohl das Ziel bereits in den 1980er Jahren verbreitet war, wurde es von Ländern wie den Vereinigten Staaten erst 2012 formell angenommen. Die 2 % werden häufig als optimales Inflationsziel angesehen, weil damit die Gefahr einer Deflation vermieden werden kann, wenn sich die Inflationsraten in den negativen Bereich bewegen und somit Preise zu sinken beginnen. Gleichzeitig ist das Ziel niedrig genug, um den Märkten ausreichend Flexibilität zu geben, z. B. damit Unternehmen bei der Festlegung von Löhnen und Preisen etwas strategischer vorgehen können. Dieses Niveau gibt den Zentralbanken im Normalfall auch genügend Spielraum, um die Wirtschaft in Abschwungphasen zu stimulieren, ohne die Kaufkraft der Verbraucher ernsthaft zu untergraben.

Theoretisch könnte das Ziel auch auf 1 % oder 3 % gesetzt werden. Die konkrete Zielgröße ist jedoch weniger wichtig, als die Verankerung der Inflationserwartungen auf einem stabilen, vorhersehbaren Niveau. Das 2 %-Ziel hat sich als pragmatischer Mittelweg herauskristallisiert, der darauf abzielt, die wirtschaftliche Gesundheit zu erhalten und sich gegen die Unvorhersehbarkeit sowohl einer hohen Inflation als auch einer Deflation zu schützen.

Die wirtschaftlichen Fallstricke der Deflation

Deflation ist das Gegenteil von Inflation und beschreibt eine Situation, in der die Preise von Gütern, Waren und Dienstleistungen im Laufe der Zeit sinken. Im Grunde kann man mit demselben Geldbetrag, den man heute hat, morgen mehr Waren oder Dienstleistungen kaufen. Obwohl Deflation auf den ersten Blick verlockend erscheinen mag, ist sie oft ein Zeichen für wirtschaftliche Probleme. Ein historisches Beispiel hierfür ist die letzte Deflation in Deutschland, die zwischen den Jahren 1929 und 1932 herrschte. Diese war eine direkte Folge der zuvor grassierenden Hyperinflation und verdeutlicht, wie Deflation das Ergebnis extremer wirtschaftlicher Schwankungen sein kann. Das hat auch direkte Folgen für Verbraucher und Kreditwesen:

  • Bei einer Deflation veranlasst die Erwartung sinkender Preise sowohl Verbraucher als auch Unternehmen dazu, ihre Ausgaben in der Hoffnung auf niedrigere Kosten in der Zukunft aufzuschieben. Dieser weit verbreitete Aufschub führt zu einem Rückgang des Gesamtverbrauchs und der  Produktion, was wiederum zu Entlassungen führt.
  • Die Kreditvergabe ist wichtig für unsere Wirtschaft, damit Unternehmen investieren und wachsen können. Dennoch stellen deflationäre Phasen eine besondere Herausforderung dar. In solchen Zeiten bleibt die Kreditsumme konstant, aber der Wert dessen, was man mit demselben Geld kaufen kann, steigt. Im Grunde genommen könnten Sie sich in der Situation wiederfinden, einen Kredit für ein Produkt zurückzuzahlen, das im Laufe der Zeit billiger geworden ist. Wenn es an der Zeit ist, den Kredit zurückzuzahlen, können Sie mit demselben Geldbetrag mehr kaufen, als Sie ursprünglich gekauft haben. Diese Dynamik kann dazu führen, dass die Kreditaufnahme weniger attraktiv wird, da die Rückzahlung in einem deflationären Umfeld immer schwieriger wird.

Dies zeigt, dass die Kreditvergabe und die Produktion in einem deflationären Umfeld negativ beeinflusst werden könnten.  Ein solches Umfeld hemmt die Wirtschaftstätigkeit und stellt eine große Herausforderung für die wirtschaftliche Stabilität dar.

Stabilität als Ziel

In der Wirtschaftspolitik  sind Extreme selten von Vorteil. Das gilt auch für die Inflation: Weder ein zu hoher oder zu niedriger Wert ist erstrebenswert. Das Mandat der Zentralbank, Preisstabilität zu gewährleisten, spiegelt dieses Verständnis wider, wobei das Inflationsziel von 2 % das Ideal der Mäßigung verkörpert. Die Entwicklung des Verbraucherpreisindex (VPI) gibt Aufschluss darüber, inwieweit die derzeitigen Leitlinien mit diesem Ziel übereinstimmen. Wenn die Entwicklung des VPI eine Stabilisierung in Richtung dieses Ziels anzeigt, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Bemühungen der Zentralbank zur Steuerung der monetären Aspekte der Wirtschaft wirksam sind. Solche Tendenzen stimmen optimistisch, dass die Zentralbanken die Wirtschaft auch weiterhin in einen Gleichgewichtszustand führen werden, in dem das Wachstum nachhaltig ist und die Kaufkraft stabil bleibt. Indem wir diese Wirtschaftsindikatoren beobachten und die Logik hinter der Geldpolitik verstehen, gewinnen wir nicht nur ein Bewusstsein, sondern auch eine Wertschätzung für den heiklen Balanceakt, den die Zentralbanken vollziehen. Ihr Handeln ist entscheidend für die Steuerung der komplexen Dynamik der Wirtschaft mit dem Ziel, einen Zustand zu erreichen, in dem Mäßigung vorherrscht und finanzielle Stabilität möglich ist.

Hinweis:

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18.4.24
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